Deutsche Pakatkunst ist international mit großen Namen besetzt und in entsprechenden Museen in New York, Tokio und Europa vertreten. Ine Ilg ist mit einem ganz persönlichen Stil durch Auszeichnungen dabei. Mit den Mitteln der Typographie, also der Gestaltung mit Buchstaben, kann sie in einer wohldosierten, heiklen Abstimmung aufeinander einerseits Lesbarkeit aufrecht erhalten und andererseits den Jazz mit seinen frei fließenden
Improvisationen gerecht werden. Darüber hinaus müssen Erwartungen, die sich an großen Namen wie Miles Davis, Fats Domino und das Count Basie-Orchester knüpfen, so erfüllt werden, dass der Konzertbesuchswunsch bis hin zum entschiedenen Besuchsentschluss führt. Dass ihr das gelingt, haben auch Fachjuries bestätigt, zum Beispiel mehrfach im Jahres Wettbewerb der "Hundert besten Plakate".
Um - mit ihren Worten - rhythmisch, geheimnisvoll, elektrisierend, ausdrucksstark, bewegend und interaktiv zu sein, kann man natürlich nicht an den akademischen Regeln für Satzgestaltung, Schriftmischung, Fotoanwendung, Flächenkomposition hängen bleiben. Vielmehr muss man sie, nachdem man sie beherrschen gelernt hat, auf intelligente , kreative Weise missbrauchen.
Wohlgemerkt nach dem Beherrschen, nicht schon vorher. Man muss sie auf eine bemerkenswerte Weise neu "verbeabsichtigen". Wenn diese Plakate gelungen sind, dann kann man sie beim Anblick auch mit dem innern Ohr hören, einen An-Klang finden.
Plakatkünstler müssen - mehr noch als in anderen Designsparten - das können, was Bert Brecht von einem guten Stückeschreiber verlangte: sie müssen mit den Köpfen anderer Leute denken können. Der Plakatkünstler also mit dem Kopf und der Musik der angekündigten Jazzgrößen und den Köpfen der Zielgruppe Jazzfan. Dafür haben sie, die Plakatkünstler, und dafür hat Ine Ilg ihre Gestaltungskraft aktiviert und kultiviert.
Wer darüber nur seinen eigenen Standpunkt kennt, kommt leicht zu Fehleinschätzungen und falschen Ansichten. Ihm geht es wie demjenigen, der an einem Flussufer steht und zu einem, der auf der anderen Seite steht, hinüberruft: "Wie kommt man den auf die andere Seite?" Antwort: "Da bist du doch schon!"
Ich muss sie nun Ihren Augen überlassen. Von Hans Platschek, der lange hier gelebt und gemalt hat, stammt der Satz "Ein Bild ist nur so viel Wert, wie der Betrachter, der vor ihm steht." Sie haben hier die Gelegenheit, eine Wertsteigerung zu erfahren. Wozu ich sie beglückwünsche.
Photographie
Hans-Ulrich Denninger
Ine Ilg
Look.Listen. - Die Plakate der Ine Ilg
Einführungsrede von Prof. Kurt Weidemann
Plakate sind die Wegelagerer unserer Zeit. Stumme Wegelagerer an einem vorbestimmten Platz. Nur: sie wollen Dich nicht nach Art der Wegelagerer ausrauben. Sie wollen dir etwas bieten. Sie lauern dir auf, um dich zu einer Aufführung, zu einem Ereignis zu locken oder um dir etwas zu verkaufen.
Manchmal muss etwas Visuelles (das Plakat) auf etwas Akustisches (die Musik) hinweisen. Die Künste versuchen immer wieder, miteinander zu korrespondieren und miteinander aufzutreten: Die Malerei mit dem Bühnenbild und Kostümen für das Schauspiel, die Oper zusätzlich noch mit Gesang und Musik, der Film mit stereophoner Tongebung. Man sieht mit den Augen und zugleich gibt es was auf die Ohren. Unser Ohr hat ein Melodiengedächtnis wie unsere Augen ein Erscheinungsbildgedächtnis haben. Wenn noch Duftkomponenten hinzukämen, wären bereits mehr als die Hälfte unserer Sinne beschäftigt.
Wenn früher auf dem Dorf auf einen aktuellen Musikabend oder Zirkusbesuch hingewiesen werden sollte, dann gingen ein Trommler und ein Trompeter durch den Ort oder ein Clown schlug Rad und Purzelbaum. Das Plakat ist darauf angewiesen, dass jemand vorbei kommt und Interesse für seine Botschaft zeigt. Die digitale elektronische Konkurrenz überholt sie gegenwärtig mit Riesenschritten.
Eine vor drei Jahren gegründete Internet-Plattform "My Space" hat bereits über 150 Millionen Nutzer und gewinnt täglich 23 Tausend hinzu. Ein zur gleichen Zeit auf den Markt geworfenes Magazin kommt in der gleichen Zeit gerade aus den roten Zahlen. Im Netz kann man 24 Stunden unterwegs sein, das Plakat übernachtet - wie sein Betrachter - in der Dunkelheit.
Dennoch: das Plakat gehört unmittelbar mehr zu uns. Es ist unserem Sinn und Sein näher. Es ist ein Sammlerobjekt, als Wandschmuck zu gebrauchen, es ist nachhaltiger in der Aufforderung.
Ich komme jetzt auf Ine Ilg zu sprechen. Ihr Thema ist das tonlose Wort-Bild-Plakat für Musik, für den Jazz. Sie muss uns über den Gesichtssinn, über das Auge vermitteln, dass wir den Jazz anhören sollen und zwar live, durch Hingehen. Im Grafik-Design begibt sich kein Produkt so entschieden in die Öffentlichkeit, auf Straßen und Plätzen, wie das Plakat mit Aufmerksamkeitserregenden und auffordernden Botschaften für: Pfanni Knödel und Absolut Wodka, für Sinfoniekonzerte und Goethes Faust II.
Des Plakates Geschwister sind die Ganzseitige Anzeige, der Schutzumschlag für Buch und am kleinsten: die Briefmarke. Sie alle suchen Aufmerksamkeit, Zuwendung, und eine Handlungsauslösende Aktivität, zum Beispiel Kleben durch transportfähig machen bei der Briefmarke.